Genomnetzwerk
Hämatologie

Unklare Diagnose aufgrund lymphatischer und myeloischer Marker

Anamnese

  • 70 Jahre alter männlicher Patient
  • Zytomorphologisch 93,5 % undifferenzierte Blasten
  • Nach Immunphänotypisierung c-ALL mit 57 % unreifer lymphatischer Blastenpopulation
  • Aberranter Karyotyp  in der Chromosomenanalyse ohne eindeutige genetische Zuordnung (51,XY,+X,+Y,+der(2)t(2;3)(p21;q26),t(2;3)(p21;q26),+4,+18, hyperdiploider Karyotyp mit MECOM Rearrangement)

Nachweis von lymphatischen und myeloischen Markern

WGS & WTS Ergebnisse

Indikation: Genetische Analysen zeigten eine ungewöhnliche Konstellation an sowohl lymphatischen als auch myeloischen Markern. Weitere Aufklärung durch WGS & WTS Analysen.

WGS-Befund (Ganzgenomsequenzierung):

  • Mutationen (SNV): ASXL1 (Tier 1)
  • Kopienzahlveränderungen (CNV) > 1 Mb: Bestätigung der bei der Chromosomenanalyse detektierten CNV
  • Kopienzahlveränderungen (CNV) < 1 Mb: IKZF1 Deletion
  • Strukturelle Veränderungen (SV): Bestätigung der bei der Chromosomenanalyse detektierten SV. Darüber hinaus Detektion eines ETV6::ABL1 Rearrangements. Dieses wurde in der Chromosomenanalyse nicht erfasst, da es sich um eine zytogenetisch kryptische Insertion des 5’-Anteils von ETV6 in ein Chromosom 9 handelt.

WTS-Befund (Transkriptomanalyse):

  • Fusionen: ETV6::ABL1
  • Expression: erhöhte MECOM Expression
Circos Plot Darstellung der WGS Daten. Die Kopienzahlveränderungen sind als Balken (hellblau, Zugewinn; rot, Verlust) und strukturelle Veränderung als Linien (schwarz, interchromosomale SV; grün, Inversion; rot, Deletion) dargestellt. Gene mit Mutationen (rot, Tier 1) sind gemäß der chromosomalen Lokalisation im äußeren Kreis angezeigt.

Bedeutung für die Diagnose und/oder Therapie

Mittels WGS und WTS konnte eine zytogenetisch kryptische ETV6::ABL1 Fusion identifiziert werden. ETV6::ABL1 Rearrangements treten sowohl bei myeloischen als auch bei lymphatischen Neoplasien auf. Klinisch und im genomischen Profil zeigen die Patienten Ähnlichkeit zu Patienten mit BCR::ABL1-positiven Neoplasien bzw. zu Patienten mit ALL mit BCR::ABL1-ähnlichen Eigenschaften. Passend hierzu wurde eine IKZF1 Deletion nachgewiesen, welche sich gehäuft bei Patienten mit BCR::ABL1-positiver ALL und ALL mit BCR::ABL1-ähnlichen Eigenschaften findet und auch bei Patienten mit ETV6::ABL1 Rearrangement beschrieben wurde (Mullighan et al. Nature 2008, Den Boer et al. Lancet Oncol. 2009, Zaliova et al. Haematologica 2016). Ferner wurde ein MECOM Rearrangement nachgewiesen, was eine typische Veränderung bei myeloischen Neoplasien darstellt. Somit handelt es sich hier um eine ungewöhnliche Kombination von bei hämatologischen Neoplasien beschriebenen genetischen Veränderungen.

Da das ETV6::ABL1 Rearrangement retrospektiv bereits in einer zwei Jahre zuvor asservierten Probe nachgewiesen werden konnte als noch ein normaler Karyotyp und keine Blastenvermehrung vorlagen, handelt es sich aktuell eher nicht um eine c-ALL, sondern um eine MPN mit ETV6::ABL1 Rearrangement in lymphatischer Blastenkrise. Bei frühem Therapiebeginn konnte für Patienten mit ETV6::ABL1 Rearrangement ein gutes Ansprechen auf Tyrosinkinase-Inhibitoren gezeigt werden, liegt eine akute Leukämie bzw. eine Blastenphase vor, ist die Prognose jedoch auch bei Therapie mit Tyrosinkinase-Inhibitoren sehr ungünstig (Zaliova et al. Haematologica 2016).

Tyrosinkinase-Inhibitor